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2.1 Begriff und Definition Emergenz

Bevor auf den Begriff Emergenz näher eingegangen werden kann, muss der Systembegriff kurz charakterisiert werden, da Emergenz in Systemen auftritt. Ein System ist definiert als ,,eine Menge von Elementen, die miteinander durch Beziehungen verbunden sind und gemeinsam einen bestimmten Zweck zu erfüllen haben.`` (Mül00, S. 48) Somit besteht ein System aus Systemelementen, Beziehungen zwischen den Elementen, den so genannten Relationen, und einer Systemgrenze. Mit der Systemgrenze kann klar zwischen System und seiner Umwelt unterschieden werden, die Systemgrenze grenzt das System von der Umwelt ab.

In dieser Arbeit steht der Begriff aktueller Systemzustand für die Zusammenfassung von allen Systembestandteilen sowie die sich daraus ergebende Systemstruktur und Systemordnung. Unter einer Änderung des Systemzustandes wird somit die Änderung von Systemelementen, Relationen, Systemgrenze, Systemstruktur oder Systemordnung verstanden.

In der Physik bezeichnet man ein System als offen, wenn ein Energieaustausch zwischen Umwelt und System stattfindet. In einem geschlossenen System hingegen findet kein Energieaustausch mit der Umwelt statt und deshalb gilt der zweite Hauptsatz der Thermodynamik.2 Die in dieser Arbeit betrachteten Systeme können alle als offen bezeichnet werden. In sozialen Systemen entspricht der Energieaustausch dem Informationsaustausch mit der Umwelt.

Das Substantiv Emergenz kann auf das lateinische Verb emergo zurückgeführt werden. Das Verb emergo hat im Deutschen die Bedeutung ,,auftauchen`` und ,,sich herausarbeiten``. (vgl. Men98) Die Verwendung des Wortes kann bis zum Anfang unserer Zeitrechnung zurückverfolgt werden (vgl. Geo13)3.

Aus der Bedeutung des lateinischen Verbes emergo lässt sich die Bedeutung des Wortes Emergenz ableiten. Man versteht demzufolge unter Emergenz das Auftauchen von Systemzuständen, die nicht durch die Eigenschaften der beteiligten Systemelemente erklärt werden können. Im Duden findet man die Definition von Emergenz als das Phänomen ,,wonach höhere Seinsstufen durch neu auftauchende Qualitäten aus niederen entstehen``. (Dud00) Bei dieser Definition ist zu beachten, dass die ,,neu auftauchenden Qualitäten`` erst ,,entstehen`` und nicht bereits vorhanden sind. Im Volksmund wird diese Idee formuliert als: ,,Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.`` Für dieses ,,Mehr`` bzw. dessen Entstehung steht der Begriff Emergenz.

Das Phänomen der Emergenz lässt sich am Beispiel Temperatur verdeutlichen. Betrachtet man ein einzelnes chemisches Molekül, wie z. B. das Wassermolekül, dann kann man für dieses Molekül keine Temperatur bestimmen. Hat man allerdings eine große Menge des einzelnen Moleküls, dann ist es möglich eine Temperatur zu ermitteln. Die Temperatur entsteht erst, wenn viele Moleküle aufeinander treffen. Somit kann die Temperatur als eine emergente Eigenschaft vieler Moleküle angesehen werden. Bei Wasser ist die Temperatur eine emergente Eigenschaft der Wassermoleküle, aber es ist keine emergente Eigenschaft des Wassers.


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Sebastian Stein 2004-08-30