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2.3 Historizismus und Reduktionismus

Während des Transformationsprozesses treten neue Qualitäten auf, die nicht auf die Aufsummierung der Einzeleigenschaften zurückgeführt werden können. Aus diesem Ansatz ergibt sich die Frage, ob das Emergenzphänomen sich überhaupt auf einfache Transformationsregeln reduzieren lässt. Der Historizismus verneint diese These und behauptet im Gegenteil, dass es Gesetze auf höheren Ebenen (Makroebene) gibt, die sich nicht auf die Naturgesetze reduzieren lassen. Zur Erklärung werden dann ,,Vitalkräfte und spirituelle Agentien`` (PJS94, S. 30) bemüht, die die physikalischen Naturgesetze außer Kraft setzen. Solch ein Makrogesetz müsste allerdings den Zustand aller Elemente genau beschreiben. Ein derart umfassendes Makrogesetz nimmt demnach keine Vereinfachung vor und ist somit selber die Realität. In diesem Zusammenhang von einem Gesetz oder einem Modell zu sprechen, erscheint sinnlos. Anhand dieser Argumentationslinie (nach Pop87)6wurde gezeigt, dass ein reiner Historizismus allgemein wenig sinnvoll ist.

Die Gegenströmung zum Historizismus ist der Reduktionismus. Reduktionisten stellen die These auf, dass jedes Phänomen auf wenige Naturgesetze reduziert werden kann. Im oben genannten Beispiel von Temperatur als emergenter Eigenschaft von Molekülen scheint dies anhand von Bewegungsgesetzen und dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik durchaus möglich. Allerdings ist fraglich, ob jemals eine Reduzierung von menschlichem Gruppenverhalten auf die Bewegung von Atomen möglich ist. Eine Reduzierung aller Phänomene im Universum auf wenige Naturgesetze scheint sehr theoretisch. (vgl. Stö94) Der Ansatz ist in der Praxis wenig gangbar. Sinnvoller ist zu akzeptieren, dass eine Reduktion von Emergenz auf physikalische Naturgesetze (momentan) nicht möglich ist. Es müssen somit Erklärungsmodelle gefunden werden, die auf einer höheren Ebene ansetzen. Diese Erklärungsmodelle, wie im nächsten Kapitel vorgestellt, müssen unter Beachtung der bekannten Naturgesetze aufgestellt werden, um Historizismus zu vermeiden. (PJS94, S. 30ff) Aus dieser Forderung leitet sich das Anliegen dieser Arbeit ab. Es wird untersucht, wie die im nächsten Kapitel vorgestellten Erklärungsmodelle praktisch in der Software Entwicklung angewendet werden bzw. angewendet werden können. Es wird allerdings nicht untersucht, weshalb die Erklärungsmodelle wirken - eine Reduzierung, z. B. auf soziologische Theorien, findet nicht statt.


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Sebastian Stein 2004-08-30